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Mythen über die Beschneidung

Bild: Der "New Shepard"-Pernis von Jeff Bezos.

Wahres, Halbwahrheiten und Lügen über die Zirkumzision

Sowohl Befürworter als auch Gegner der Zirkumzision verwenden gerne "alternative Fakten", um ihre einseitigen Positionen zu verteidigen. Im Folgenden werde ich den Fakten-Check machen und die Desinformationen in einigen der oft genannten Mythen aufdecken.

Wenn du weitere Mythen über die Zirkumzision kennst, würde ich diese gerne ergänzen. Bitte teile mir solche Ergänzungen über die Kommentarfunktion oder das Kontaktformular mit.

Die harmloseren Mythen:

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Ein Mann mit Vorhaut ist nie wirklich hygienisch.

Fakten: In früheren Zeiten oder heute in sehr armen Regionen der Welt, wo Wasser und Seife knapp oder zu teuer sind oder sanitäre Einrichtungen weitgehend fehlen, ist diese Behauptung sicherlich zutreffend. In Industrie- und Schwellenländern hingegen gibt es heute keinen Grund mehr für dieses Argument. Nur bei stark mangelhafter persönlicher Körperhygiene oder bestimmten Krankheiten kann eine Zirkumzision in Industrie- und Schwellenländern aus hygienischen Gründen noch sinnvoll sein. Das ist aber eher sehr selten der Fall.

Es gibt keine medizinischen Gründe für eine Zirkumzision.

Fakten: Dies ist eine sehr dreiste Lüge der radikalen Beschneidungsgegner, die bei vielen Männern denen geholfen werden könnte, unnötig langes Leid verursacht.

Neben Phimose und Paraphimose gibt es verschiedene chronisch entzündliche Erkrankungen der Vorhaut und/oder Eichel (verursacht durch Bakterien, Viren oder Pilze), bei denen nur die Zirkumzision nachhaltige Heilung bringen kann. Bei zu langen Vorhäuten und zu kurzen oder zu schwachen Frenulums, bei denen der Sex immer wieder schmerzhaft ist, kann ebenfalls nicht selten nur eine Zirkumzision helfen. Es gibt also mehrere sehr gute medizinisch-therapeutische Gründe für eine Beschneidung.

Es gibt der Zirkumzision überlegene alternative Therapien.

Fakten: Es ist eine sehr leichtfertige Lüge, dass es für alle soeben genannten Erkrankungen (siehe oben) wirksame alternative Behandlungsmethoden gibt. Sicherlich ist es immer lohnenswert, Alternativen in Betracht zu ziehen. Eine übereilte oder präventive Zirkumzision halte ich persönlich für falsch. Die Beschneidung ist nicht die Lösung für alles und jeden. Aber zu behaupten, dass diese Alternativen immer zielführend und überlegen sind, ist falsch und unehrlich.

Ich selbst bin von chronischen Entzündungen betroffen. Obwohl ich ein Grenzfall zu sein scheine, weil sie bisher nie auf die Harnwege übergegriffen hat, haben mir die sogenannten "sanften" und alternativen Methoden leider nicht nachhaltig geholfen. "Sanft" würde in meinem Fall die dauerhafte Anwendung von Antibiotika-Produkten bedeuten. Auch andere so genannte Alternativen sind alles andere als sanft: Die Aufweitung einer Phimose zum Beispiel ist ein sehr schmerzhafter Prozess und ist oftmals trotzdem nicht nachhaltig. Wer schon einmal ein Piercing gedehnt hat, weiss von welchen Schmerzen ich spreche.

Die Komplikationsrate bei der Zirkumzision ist sehr hoch.

Fakten: Für nicht medizinisch ausgebildete Imame und Rabbiner, die Beschneidungen vornehmen, ist diese Aussage zweifellos zutreffend. Bei mindestens 2 % aller rituellen Beschneidungen treten schwerwiegende Komplikationen auf.

Für Zirkumzision, die von medizinischem Fachpersonal durchgeführt werden, gilt jedoch das Gegenteil: Hier liegt die Komplikationsrate im niedrigen Promillebereich. Die Zirkumzision ist die weltweit am häufigsten durchgeführte Operation und daher hat das Personal mit kaum einem anderen Eingriff mehr Erfahrung. Ein Restrisiko bleibt natürlich immer, wie bei jeder Operation. Aber bei der Zirkumzision ist es im Vergleich zu anderen medizinischen Eingriffen sehr tief.

Ohne Vorhaut gibt es keine HIV(AIDS)-Übertragung.

Fakten: Es stimmt, dass die Übertragungsrate bei beschnittenen Männern etwas geringer ist. Aber dass eine HIV-Übertragung zuverlässig verhindert wird, ist eine, im wahrsten Sinne des Wortes, lebensgefährliche Lüge. Nach aktuellen Studien beträgt der Schutz nur etwa 15 %. (gemäss WHO) Die Zirkumzision ist keine Alternative zum Kondom!

Eine Fluggesellschaft, bei der nur 15% aller Flüge unbeschadet am Ziel ankommen und bei der das Risiko eines Absturzes und dabei zu streben bei 85% liegt, würde auch von niemandem empfohlen werden. Im Gegenteil: Die Behörden würden den weiteren Betrieb verhindern. Genau gleich verhält es sich mit der statistischen Korrelation der Beschneidung mit HIV (und HPV). Es ist unverantwortlich, die Zirkumzision als wirksamen Schutz vor HIV zu propagieren.

Ohne Vorhaut gibt es keine HPV-(Gebärmutterhalskrebs)-Übertragung.

Fakten: Es stimmt, dass die Übertragungsrate bei beschnittenen Männern etwas geringer ist. Aber dass eine HPV-Übertragung zuverlässig verhindert wird, ist eine, im wahrsten Sinne des Wortes, lebensbedrohliche Lüge. Nach aktuellen Studien beträgt der Schutz nur etwa 22 %. (gemäss WHO) Die Zirkumzision ist keine Alternative zum Kondom!

Eine Fluggesellschaft, bei der nur 22% aller Flüge unbeschadet am Ziel ankommen und bei der das Risiko eines Absturzes und dabei zu streben bei 78% liegt, würde auch von niemandem empfohlen werden. Im Gegenteil: Die Behörden würden den weiteren Betrieb verhindern. Genau gleich verhält es sich mit der statistischen Korrelation der Zirkumzision mit HPV (und HIV). Es ist unverantwortlich, die Beschneidung als wirksamen Schutz vor HPV zu propagieren.

Beschnitten Männer haben besseren (oder schlechteren) Sex.

Fakten: Dies ist wohl die am meisten untersuchte Frage rund um die Zirkumzision. Die Daten aus 150 Jahren Forschung fliessen in die Masterstudien ein. Alle bisher durchgeführten Masterstudien sind zu einem Ergebnis von etwa 50 zu 50% gekommen. Das bedeutet, dass der Beschneidungsstatus beim Sex keine wesentliche Rolle spielt. Wenn man der Wissenschaft Glauben schenkt, wird diese Frage völlig überbewertet. Beschnittenen oder unbeschnittenen ist Sex ist statisch gesehen genau gleich gut. Das gilt sowohl für den Beschnittenen selbst als auch für seine Partnerin / Partner.

Bei einer Zirkumzision werden 20'000 Nervenenden entfernt und damit der sensitivste Bereich des Penis.

Fakten: Es stimmt, dass die Nervenenden bei der Beschneidung entfernt werden und daher die Empfindlichkeit etwas abnimmt. Es ist jedoch nicht wahr, dass sich in der entfernten Vorhaut 20'000 oder mehr Nervenenden befinden. Es ist auch nicht wahr, dass die Vorhaut der empfindlichste Teil des Penis ist. Dies sind Fake News, die von den Gegnern der Zirkumzision immer wieder neu abgeschrieben und ohne zu hinterfragen weiterverbreitet werden.

Laut Studien von Neurologen befinden sich nur 1'000 bis 4'000 Nervenenden in der betroffenen Vorhaut. (abhängig vom Beschneidungsstyl und der Grösse des Penis) 20'000 Nervenenden sind mehr als normalerweise im gesamten Penis vorhanden sind. (Quelle: "10'000, 20'000, 70'000 nerve endings: a myth that keeps on growing") Allein die Eichel besitzt etwa 2'000 bis 8'000 Nervenenden und ist damit der empfindlichste Bereich des Penis. Wissenschaftliche Untersuchungen der einzelnen Zonen des Penis belegen zudem eindeutig, dass die Eichel deutlich empfindlicher ist als die Vorhaut. (Quelle: "Druckschwellenwerte für leichte Berührung am menschlichen Penis") Ihre Empfindlichkeit entspricht derjenigen der Lippen oder unserer Fingerspitzen. Die Empfindlichkeit der Vorhaut entspricht dagegen nur etwa der der Handfläche. Das Gewebe um die Harnröhre, das direkt unter der Vorhaut liegt und bei der Zirkumzision erhalten bleibt, ist ebenfalls sehr gut mit Nervenenden ausgestattet, auch sehr sensitiv und spielt beim Sex ebenfalls eine wichtige Rolle.

Entscheidend für das Vergnügen beim Sex oder bei der Selbstbefriedigung ist aber nicht die Anzahl der Nervenenden, sondern vor allem die damit verbundene "Fantasie". Wäre allein die Anzahl entscheidend, hätten kleinere Männer schlechteren Sex als grössere Männer. Nach einer Beschneidung muss diese "Fantasie" meist erst wieder aufgebaut werden. Das kann mehrere Monate dauern.

Während der Heilung verzweigen sich nicht nur die Blutgefässe, sondern auch die Nerven in der verblendenden Vorhaut und in der Narbe neu. Es kann einige Zeit dauern, bis das Gehirn dieses neue Nervengewebe in die sexuellen Empfindungen integriert hat. Das Gehirn muss sich erst umorganisieren. Das kann mehrere Monate oder sogar ein Jahr dauern.

Je nach Beschneidungsstyl bleibt mehr oder weniger empfindliches Gewebe zurück. Deshalb ist es ratsam, einen hohen Beschneidungsstil zu wählen, weil dadurch der empfindlichste Bereich der Vorhaut - die innere Vorhaut - erhalten bleibt. Aber auch bei einer sehr niedrigen Zirkumzision sind noch genügend Nervenenden vorhanden, um SB und Sex in vollen Zügen zu geniessen. Das beweisen hunderttausende oder eher Millionen von Männern, die mit einer "low"-Beschneidung sehr zufrieden sind.

90cm² (15sin) Haut werden amputiert.

Fakten: Generell sind 90cm², 100cm² oder 15sin eine der Übertreibungen, die Intact-Aktivisten immer wieder ungeprüft abschreiben und verbreiten. Seriöse Mediziner sprechen von durchschnittlich etwa 39cm² (6sin). (Quelle: "The '15 square inches' myth") Die Fläche der entfernten Haut variiert jedoch stark. Je nach individueller Anatomie, Beschneidungsstil und Grösse kann sie zwischen etwa 7cm² und über 100cm² liegen. In Uganda wurde erhoben, dass bei etwa einem Viertel aller Zirkumzisionen bei erwachsenen Männern weniger als 27cm² Haut entfernt wird. Und ebenfalls nur bei etwa einem Viertel werden mehr als 46 cm² entfernt. Die Hälfte der ugandischen Männer verlor zwischen 27 und 46cm² Vorhaut.

Die Eichel verhornt (keratinisiert oder verhärtet) bei Beschneidung und wird deshalb unempfindlich.

Fakten: Unbestritten ist die Tatsache, dass die Eichel eines Beschnittenen trockener ist als die eines Unbeschnittenen. Aber ob die trockene Haut tatsächlich verhornt, ist eine ganz andere Frage. Es scheint, dass es tatsächlich beschnittene Männer gibt, die grosse Probleme mit der Keratinisierung haben. Die grosse Mehrheit hat dieses Problem jedoch nicht. Im Gegensatz zu dem, was uns Intact-Aktivisten oft glauben machen wollen, ist dies keine unvermeidliche Folge der Zirkumzision. Und Dermatologen weisen darauf hin, dass eine Keratinisierung der Eichel auch bei unbeschnittenen Männern auftreten kann.

Die Zirkumzision ist eine "Medizin" gegen die Masturbation.

Fakten: Das ist Wunschdenken einiger puritanischer Kreise aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Leider geistert dieser Mythos immer noch oft durch die Zirkumzisionsdiskussion. Es stimmt, dass je radikaler (=low-thide) die Beschneidung ist, desto länger dauert es bei der Selbstbefriedigung zum Höhepunkt zu kommen. Das belegen viele Studien eindeutig. Aber selbst eine sehr radikale Zirkumzision mindert den Genuss der Masturbation meistens nicht. Im Gegenteil: Nicht wenige berichten, dass die längere Dauer die Lust und die anschliessende psychische Belohnung sogar steigert. Lediglich die Anpassung an den veränderten Penis kann die Lust in der Zeit unmittelbar nach der Zirkumzision vorübergehend verringern. Nach 6 bis 12 Monaten lässt dies aber meist nach und die Lust kann sogar grösser sein als vorher, weil sie sich länger aufbauten, kann.

Die Masturbation ist nach einer Zirkumzision ist nur noch mit Gleitmittel möglich.

Fakten: Für einige Beschnittene scheint dies tatsächlich zuzutreffen, unteranderem abhängig von der Straffheit der Zirkumzision. Aber die meisten (einschliesslich mein Bruder) berichten, dass sie sehr gut "trocken" masturbieren können. Einige verwenden auch den einen Lusttropfen (Präejakulat) oder etwas Speichel als natürliches Gleitmittel.

Die Zirkumzision führt meistens zu einem psychischen Trauma.

Fakten: Bei rituellen Zirkumzisionen ohne Betäubung im Kindesalter werden bis zu 70 % aller Jungen mehr oder weniger stark psychisch traumatisiert. Je älter ein Junge ist, desto geringer ist in der Regel das psychische Trauma. Auch bei Jungen, die als Säuglinge beschnitten werden, ist die Wahrscheinlichkeit eines psychischen Traumas geringer. In vielen alten Stammeskulturen, in denen die rituelle Zirkumzision in der Jugend stattfindet, ist eine leichte Traumatisierung sogar bewusst erwünscht und wird nicht selten von den Stammesangehörigen als förderlich für die Initiation angesehen.

Im Gegensatz dazu sind psychische Traumata bei Zirkumzisionen, die von medizinischem Fachpersonal und mit fachgerechter Information, Vorbereitung, Betäubung oder unter Narkose durchgeführt werden, sehr selten. Bei freiwilligen Beschneidungen in der Pubertät und im Erwachsenenalter nahezu inexistent.

Die langfristigen psychischen Auswirkungen sehen dagegen ganz anders aus: In den USA sind scheinbar 20% der beschnittenen Männer mit dem Endergebnis unzufrieden. Die Autoren solcher Studien weisen jedoch nachdrücklich darauf hin, dass nicht wenige Männer alle ihre sexuellen Probleme auf die Zirkumzisionen projizieren, auch wenn es keinen empirischen, medizinischen Zusammenhang gibt. Sexuelle Frustration wird von Männern unabhängig vom Zirkumzisionsstatus in gleichem Masse erlebt. Auch dazu gibt es viele Untersuchungen.

Jeder, der zu einer Zirkumzision gezwungen wurde oder bei dem sie verpfuscht wurde und der dadurch traumatisiert wurde, hat mein volles Mitgefühl. Das darf wirklich nicht passieren!

Der Koran fordert eine Beschneidung.

Fakten: Im Koran steht nichts über die Beschneidung. (Gilt für alle Geschlechter!!) Die muslimische Beschneidung wird meistens mit Textstellen aus der Hadith begründet.

Die Bibel und Tora fordern eine Zirkumzision.

Fakten: Für Juden stimmt diese Aussage definitiv. (Gen 17,10–14) Im Neuen Testament betont aber der Apostel Paulus mehrfach, dass die Beschneidung für nichtjüdische Christen optimal ist. Er bezeichnet die Zirkumzision aber als "nützlich". (Röm 2,25)

Der Apostel Paulus spricht sich gegen die Beschneidung aus.

Fakten: Paulus sagt nur, dass allein eine Zirkumzision nicht näher zu Gott führt oder einen Menschen irgendwie besser macht. Er nennt die Zirkumzision aber gleichzeitig auch "nützlich". (Röm 2,25) Weiter sagt er, dass es vor Jesus Christus keine Rolle spiele, ob jemand beschnitten ist oder nicht, sondern allein auf den Glauben ankommt. (Gal 5,6 und Phil 3,3-4) Paulus lehnt die Beschneidung nirgendwo ab, sondern betont nur mehrfach, dass sie für nichtjüdische Christen optimal ist. Ein Verbot ist nirgends zu finden.

Verschwörungsmythen und schlimmeres:

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Beschneidung macht bessere Menschen.

Fakten: Einige tief religiöse Kreise behaupten, dass nur die Beschnittenen ins Paradies oder in den Himmel kommen können. Sie erheben sich damit über alle Unbeschnittenen und diskriminieren sie nicht selten. Aufrufe zur Tötung aller Unbeschnittenen sind leider keine Seltenheit. Sie übersehen dabei, dass sowohl im Judentum als auch im Islam und im Christentum der Glaube und die Friedfertigkeit viel höher bewertet werden als der Beschneidungsstatus.

Zirkumzision = weibliche Genitalverstümmelung

Nicht alles was hinkt ist auch ein Vergleich! Die Gleichsetzung der Zirkumzision mit der weiblichen Genitalverstümmelung ("female genital mutilation", kurz FGM) ist eine der heimtückischsten Strategien der extremen Gegner der Zirkumzision. Dieses Totschlagargument macht leider allzu oft jede sachliche Diskussion über die Vor- und Nachteile, die es zweifelsohne beide gibt, unmöglich. In Wahrheit werden hier Äpfel mit Birnen verglichen: Vergleicht man die von der Zirkumzision betreffe Haut, mit der weiblichen Anatomie, so entspricht die Zirkumzision lediglich einer kosmetischen Klitorisvorhautreduktion. Würde man auch die Eichel entfernen, käme man diesem ungerechten Vergleich schon viel näher.

Und hier noch einmal in aller Deutlichkeit: Ich befürworte weder die unfreiwillige oder gar gewaltsame Zirkumzision noch die weibliche Genitalverstümmelung. Davon bin ich weit entfernt! Ich sage nur, dass man anatomisch korrekte Vergleiche anstellen sollte, die nicht die Unwissenheit anderer schamlos ausnutzen.

Kulturkampf

Ich meine damit dieser frei erfundene Kulturkampf zwischen einer selbsternannten unbeschnittenen "Herrenrasse" und den minderwertigen Beschnittenen. Zu den "Beschnittenen" gehören die üblichen Feindbilder der Rechtsextremisten: Muslime, Juden, das amerikanische Establishment, sowie alle aus rechtsextremer Sicht Entartete, wie z.B. alle LGBTQ+-Menschen. Der Verschwörungsmythos vom Kulturkampf, den einige Gegner der Beschneidung latent oder sogar manifest übernommen haben, fügt sich nahtlos in das Weltbild anderer tiefbrauner und völkischer Lügen ein.

Geldgier

Ärzten wird vorgeworfen, dass sie nur des Geldes wegen beschneidenen würden. Auch wenn dies für einige zutreffen mag, so ist diese Unterstellung im Allgemeinen sicher falsch, denn es gibt durchaus eine Reihe von medizinisch notwendigen Zirkumzisionen. Dieser Verschwörungsmythos ignoriert das Leid aller Männer, für die die Beschneidung die beste und nachhaltigste Therapie ist.

Zusammenfassend kann man nur jedem raten, sehr genau hinzuschauen, aus welchen Kreisen und mit welcher Motivation in der überhitzten Beschneidungsdebatte Informationen und auch gezielte Desinformationen verbreitet werden. Wer sich noch nicht eingehend mit dem Thema beschäftigt hat, kann leider sehr leicht dreiste Lügen für wahr halten.

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Minderheit?

Gehöre ich auch bald zur Minderheit?

Die Zirkumzision ist bei uns nicht weit verbreitet. Nur eine Minderheit (~20 %) alle Männer ist beschnitten. Meistens, weil sie einen Migrationshintergrund haben und muslimisch erzogen wurden. Viele davon stammen aus dem Kosovo, Bosnien und der Türkei. Daneben gibt es noch einige Juden und solche, die aus medizinischen Gründen beschnitten wurden. Anders als in Südkorea, Nordamerika, den Philippinen oder im Nahen Osten gibt es bei uns keine Tradition der Beschneidung.

Beschnittene Männer sind auch weltweit eine Minderheit von nur etwa 30%.

Schulzeit

In meiner Schulklasse gabs keine jüdischen Kinder. Es gab jedoch fünf Muslime und zwei von ihnen wurden im Primarschulalter oder zuvor beschnitten, was mich aber damals wenig interessierte. Ich erinnere mich, dass es in der Primarschule ein nicht-muslimisch Klassenkameraden gab, der ebenfalls beschnitten waren. Wie ich heute vermute, wegen einer Phimose?

Ich lebe in der Schweiz und habe aber eine sardische Grossmutter. Zu einem Viertel habe ich deshalb selbst einen Migrationshintergrund. Ich besitze aber keinen italischen Pass und fühle mich nicht im Geringsten sardisch. Weder in Italien noch in der Schweiz gibt es eine Tradition für die Zirkumzision. Ich bezeichne mich als Christ und habe - soweit ich weiss - keine jüdischen oder muslimischen Vorfahren. In meiner Familie und in meiner Schulzeit war die Zirkumzision nur ein Randthema, über das ich als Kind nie ernsthaft nachgedacht habe.

In der Sonntagsschule - in der Kirche - hatte ich gelernt, dass jüdische Jungen beschnitten werden und uns wurde rudimentär erklärt, wie das gemacht wird. Trotz diesem Vorwissen habe ich damals die andersartigen Penisse einiger meiner Mitschüler nie damit in Verbindung gebracht. Ich erinnere mich jedoch noch gut, dass mir auffiel, dass deren Penisse irgendwie anders aussahen. Trotzdem hatte es mich damals nicht weiter interessiert. Es war einfach kein wichtiges Thema.

Erst in der Sekundarschule, als einige der muslimischen Jungen im Alter zwischen 13 bis 15 Jahren beschnitten wurden, begann ich den Zusammenhang zwischen einer nackten Eichel und der Zirkumzision zu verstehen. In der Garderobe und unter der Dusche nach dem Schulsport und im Sportverein war es mehrmals ein grosses Thema, wenn einer dieser Jungen stolz seinen operierten Penis präsentierte und damit prallte. Ich fand dieses Machogehabe meist nur abstossend. Es hat damals eher dazu beigetragen, dass ich eine tendenziell negative Einstellung zur Beschneidung entwickelte.

Hight-thide

In meiner Berufsschulklasse befanden sich ebenfalls eigne Muslime, die alle beschnitten waren. Zusätzlich war dort ein Nichtmuslim, der offenbar aus medizinischen Gründen als Kleinkind beschnitten worden war. Die Beschneidung wurde damals zu einem grossen Thema, als ein Klassenkamerad verkündete, er habe sich für die Zirkumzision entschieden, weil seine amerikanische Mutter es ihm empfohlen habe. Dies geschah während unserem ersten Lehrjahr. Wir waren also 16 oder 17 Jahre alt. Damals erfuhr ich auch, dass die Mehrheit der Männer in Nordamerika beschnitten sind. Das war mir vorher nicht bewusst. Als dieser Klassenkamerad ein paar Wochen nach seiner Beschneidung wieder am Sportunterricht teilnahm, kam es unter der Dusche zum grossen Schwanzvergleich. 😉 Zum Glück weniger machohaft als in der Sekundarschule. Im Gegensatz zu den anwesenden Muslimen, war seine Beschneidung - wie ich heute weiss - "high" und sehr "thide". Auch sein Frenulum wurde offensichtlich vollständig entfernt.

Ich war insgeheim sehr daran interessiert, mehr darüber zu erfahren. Nicht, weil ich mir damals eine Beschneidung wünschte oder weil ich es irgendwie erregend fand - nein, ganz im Gegenteil(!). Sondern weil ich kurz zuvor meine erste schwere Vorhaut- und Eichelentzündung hatte und das erste Mal beim Urologen war. Der hatte mir damals, in einem Nebensatz, eine Beschneidung angedroht, falls die Salben nicht helfen würden. Aber ich machte mir zunächst keine grossen Gedanken darüber, denn ich vertraute den Salben und die wirkten anfangs wirklich sehr gut. Der Anblick, der noch nicht vollständig abgeheilten Zirkumzision löste in mir ein gewisses Unbehagen, aber gelichzeitig auch grosses Interesse aus, mehr darüber zu erfahren.

Ich habe mich damals nicht getraut, mein Interesse anderen zu zeigen, aber auf mich machte diese High-Tide-Beschneidung einen sehr grossen Eindruck. Es live und in Farbe zu sehen, war etwas anderes als nur auf Bilder im Internet oder mit den knappen Worten des Urologen zu hören. Obwohl ich damals die unterschiedlichen Beschneidungsstile noch nicht kannte, wusste ich sofort, dass ich die Beschneidung auch so (high-thide) machen lassen würde, falls ich je beschnitten werden müsste. Das hat sich bis jetzt nicht geändert.

www.circlog.ch - Devins Zirkumzisions-Blog

Ich wollte mehr wissen

Nach diesem Erlebnis an der Berufsschule wollte ich, genaueres wissen. Ich las alles, was ich im Internet dazu finden konnte. Leider auch vieles, von dem ich heute weiss, dass es nur unfaire Desinformationen ist. Seither habe ich mich von Zeit zu Zeit immer wieder mit der Beschneidung beschäftigt. Jedes Mal, wenn ich wieder eine Vorhautentzündung hatte, haben mich die gleichen Fragen erneut beschäftigt. Natürlich auch sehr intensiv im Frühling 2018, als mein Bruder zu einer Zirkumzision gezwungen wurde und ich ihn als Gebärdensprachdolmetscher und inoffizieller Psychotherapeut bei diesem Prozess begleitet habe. Letzteres ist natürlich eine Übertreibung. Ich bin weit davon entfernt ein Psychotherapeut zu sein. Es waren nur 4-Augen-Gespräche zwischen Brüdern, in denen Jason mir wiederholt seine Ängste und in den Monaten danach, seine grosse Frustration mitteilte.

Freiwillige Zirkumzision

Während meines Studiums - in Sportangeboten für Studierende - lernte ich Kommilitonen kennen, die sich als Erwachsene und ohne medizinische oder religiöse Gründe beschneiden liessen. Man kann sie wohl als Fetischisten bezeichnen. Ich sprach mit ihnen über ihre Erfahrungen.

Bis heute kann ich mich nicht wirklich an den Gedanken gewöhnen, ohne medizinische Gründe beschnitten zu werden. Und dies, obwohl ich sehr neugierig darauf bin zu erleben, wie sich eine straffe Penishaut anfühlt. Einen beschnittenen Penis finde ich visuell sehr ansprechend finden. (Ich bin nicht homosexuell, aber weiss was gut aussieht!) Trotzdem sind mir Neugierde und ästhetische Aspekte bei weitem nicht genug, um einen so tiefgreifenden und unumkehrbaren Eingriff vornehmen zu lassen.

Mein Bruder ist sehr zufrieden mit dem Endergebnis seiner Zirkumzision. Und er sagt, er würde es heute jedem empfehlen, auch ohne medizinische Gründe. Er empfindet seinen neuen Penis in jeder Hinsicht als besser als jemals zuvor. Mein Bruder kann mein derzeitiges Zögern deshalb nicht wirklich verstehen. Muss er auch nicht. 😉

Mal sehen, ob ich nach meiner Zirkumzision - wenn ich es nun wirklich machen lassen - der gleichen Meinung sein werde, wie mein Bruder? Heute bin ich es jedenfalls nicht. Aber das gute Endergebnis bei meinem Bruder nimmt mir die Angst vor möglichen negativen Langzeitfolgen. Und trotzdem zögere ich immer noch.

Wieso nur eine Minderheit?

Warum ist die Mehrheit der männlichen Weltbevölkerung, abgesehen von einigen wenigen Regionen der Welt, nicht beschnitten? Warum ist die Zahl der Zirkumzision von Neugeborenen in den USA und Südkorea rückläufig? Sind es nur kulturelle Vorlieben oder sind die Vorteile einfach zu gering? Die Nachteile zu schwerwiegend? Oder ist es nur rechtsextreme Propaganda rund um den erfundenen Kulturkampf oder esoterische Angstmacherei, die viele von einer Zirkumzision abhält? Oder einfach nur romantische "zurück zur Natur"-Vorstellungen? Oder weshalb sonst, hat sich die Beschneidung nicht allgemein und weltweit durchgesetzt?

Fragen über Fragen… Klar ist mir nur, dass Beschnittene eine Minderheit sind. Nicht nur hier in Mitteleuropa, sondern weltweit. Wären 80 oder 90% der Weltbevölkerung beschnitten, würde mir wahrscheinlich die persönliche Entscheidung dafür oder dagegen, deutlich leichter fallen. Aber selbst dann könnte ich immer noch mit Bertrand Russell argumentieren, der gesagt oder geschrieben haben soll: "Auch wenn alle einer Meinung sind, können alle Unrecht haben."

Was nun?