Diese
Seite {
kann leider nicht korrekt angezeigt werden! Ihr
Browser ist veraltet, bitte verwenden Sie einen aktuellen Browser. Besuchen
die unsere Seite erneut mit einem modernen Browser, wie Mozilla Firefox
oder Google Chrome.
Ich habe mich in den letzten Tagen gefragt, was mich zögern lässt, die Zirkumzision endlich durchführen zu lassen. Vor einigen Monaten hatte ich mich bereits für die Beschneidung entschieden und jetzt stelle ich meine Entscheidung wieder in jeder erdenklichen Weise in Frage. Und dass, obwohl ich sehr genau weiss, dass die Beschneidung in meinem Fall das einzig Richtige ist. Wovor habe ich Angst? Das ist mir leider nicht bis ins Letzte klar.
Ich mache mir Gedanken über die folgenden Punkte:
Werde ich danach noch Spass an der Selbstbefriedigung haben? Obwohl mein Bruder keine Probleme mehr damit hat, macht mich dieser Punkt sehr unsicher. Im Internet liest man verschiedene Dinge. Und ich meine damit nicht die Horrorgeschichten der Aktivisten der radikalen Beschneidungsgegner.
Wie ertrage ich den ganzen Frust in der Heilungsphase und bis ich mich an meinen neuen Penis gewöhnt habe? Bei meinem Bruder hat letzteres sehr lange gedauert und das war damals sehr frustrierend für ihn.
Wie lange kann ich nach der OP keinen intensiven Sport mehr machen? Ich trainiere normalerweise bis zu 10 Stunden in der Woche. Ich brauche immer viel Bewegung für meine Live Balance.
Könnte bei der Operation etwas schief gehen und das Ergebnis nicht wie gewünscht ausfallen?
Ich möchte eine hight-thide Beschneidung. Gerne so thide wie möglich. Aber könnte es zu straff ausfallen und längerfristig zu schmerzhaften Erektionen führen?
Ich merke auch, dass ich irgendwie an meiner Vorhaut hänge, obwohl sie mir immer wieder grosse Probleme bereitet.
Die Unumkehrbarkeit und Endgültigkeit der Beschneidung lösen bei mir ebenfalls ein leicht mulmiges Gefühl aus.
Ich weiss nur zu gut, dass die meisten dieser Punkte irrational sind. Und doch kann ich sie nicht einfach alle ausblenden. Diffuse Ängste sollte man nie auf die leichte Schulter nehmen. Oft sind sie ein Warnzeichen für etwas, das noch nicht ganz im Bewusstsein angekommen ist. Etwas, das erst noch ver- oder erarbeitet werden muss. Nein, ich bin nicht in Panik. Aber diese diffusen Befürchtungen halten mich derzeit davon ab, es tatsächlich zu tun.
Ich habe drei Voruntersuchungs- und Beratungstermine bei zwei Urologen und einem Dermatologen vereinbart. Ich hoffe, dass nach diesen Terminen mehr Sicherheit habe und ich mich endgültig entscheiden kann.
Schützengraben während dem 2. Weltkreig bei Sarikamisch, 1914-1915
Bild: Schützengraben während dem 1. Weltkrieg bei Sarikamisch, 1914-1915
Eine Dekade
Ich beschäftige mich seit etwas mehr als einer Dekade immer wieder mit der Zirkumzision, weil mir vor Jahren von einem Urologen gesagt wurde, dass dies ein notwendigerer Schritt werden könnte. Heute ist mein Zustand so, dass ich mich für oder gegen eine Beschneidung als Therapie entscheiden muss. Ich habe mich noch nicht endgültig entschieden. Ich nehme dies nicht auf die leichte Schulter. Es ist (noch) nicht so, dass ich von einem Arzt gedrängt werde. Aber die bisherigen Behandlungsmethoden funktionieren immer schlechter und es wird immer deutlicher, wo das endet: Die immer häufigere Einnahme von immer stärkeren Antibiotikas.
Leider habe ich in den letzten 10 Jahren die Erfahrung gemacht, dass weder die radikalen Gegner noch die radikalen Befürworter der Beschneidung mir bei dieser Entscheidung, hilfreich sind. Im Gegenteil: Beide Seiten werfen mit ihren Halbwahrheiten und Lügen viel zu viele Nebelgranaten.
Deformierende Verallgemeinerungen
Zunächst einmal möchte ich klarstellen, dass ich gegen jede Beschneidung unter Zwang oder Arglist bin, wenn es keine medizinischen Gründe gibt. Auch der Gruppenzwang, der mancherorts in Westafrika ausgeübt wird, um Schuljungen zur Zirkumzision zu bewegen, ist verwerflich. Ich finde es nicht gut, wenn Säuglinge und Kleinkinder beschnitten werden.
Aber man stellen sich einen verantwortungsbewussten Vater (oder eine Mutter) vor, der seinem 12 oder 15 Jahre alten Sohn die Zirkumzision empfiehlt. Er klärt seinen Sohn ehrlich über die Vor- und Nachteile auf - die beide erwiesenermassen gibt - und überlässt dann, die freie und ergebnisoffene Entscheidung dem Jugendlichen selbst. In diesem Fall sehe ich keinen Grund, warum man die Beschneidung bei Minderjährigen dogmatisch ablehnen sollte. Warum sollte ein Jugendlicher nicht in der Lage sein, sein Recht auf sexuelle und körperliche Selbstbestimmung, im geschützten Rahmen seines Elternhauses, selbst auszuüben? Das ist nur dann problematisch, wenn der Jüngling überredet wurde.
Genau solche feinen Differenzierungen vermisse ich in der Beschneidungsdebatte. Zu werden alle über einen Kamm geschert, mit haltlosen und deformierenden Verallgemeinerungen. Viel zu oft wird nur in "schwarz und weiss" gedacht. Deshalb ist es für mich ganz offensichtlich, dass es in diesem Schlagabtausch leider nur sehr selten um das "Kindeswohl" geht. Es geht leider meistens nur um das Aufdrängen einer bestimmten Weltanschauung.
Alle jene Menschen, die ernsthafte Fragen über die Zirkumzision haben bleiben dabei ratlos zurück, werden falsch informiert oder gar instrumentalisiert. Die starke Politisierung einer medizinischen Fragestellung, du kennst meistens nur Opfer. Das erste Opfer ist dabei meistens die Wahrheit, die sehr selten nur "schwarz-weiss" ist.
Das moralische Minenfeld
Ich muss betonen, dass ich nicht nur das Recht eines Jungen auf sexuelle und körperliche Selbstbestimmung und Unversehrtheit für sehr hoch erachte, sondern auch das Recht der Eltern, die verantwortungsvolle Aufgabe der Erziehung auszufüllen. Wenn die Entscheidungsfreiheiten der Eltern einseitig eingeschränkt werden, ist es mit unserer freien und toleranten Gesellschaft sehr schnell vorbei.
Bei der Abwägung zwischen den Rechten des Kindes und den Rechten der Eltern begibt man sich immer in ein grosses moralisches Minenfeld. Weil die Folgen für den Jungen bei einer fachgerecht durchgeführten Beschneidung minimal sind, ist für mich persönlich nicht klar, ob die Erziehungsfreiheit der Eltern oder die Selbstbestimmung und Unversehrtheit des Kindes höher zu bewerten ist? Beides kann genau gleichwertig sein und man sollte sie nicht leichtfertig gegeneinander ausspielen. Ich will nicht so oberflächlich und verantwortungslos denken wie einige Aktivisten, die immer nur eine Seite dieser moralischen Medaille betrachten. Dafür sind die Tragweiten dieser gesellschaftlichen Fragen zu gross.
Den Widerspruch aushalten
Wahrscheinlich wird diese Debatte gerade deshalb so erbittert geführt, weil sich jeder in der Beschneidungsdebatte in moralische Widersprüche verstrickt - egal ob Gegner oder Befürworter. Wahrscheinlich werden genau deshalb so viele Halbwahrheiten und Lügen propagiert. Es gibt letztlich keine moralisch erhabene und völlig unschuldige Position in dieser Debatte. Es bleibt immer ein moralisches Dilemma zurück. Leider leben wir nicht in einer widerspruchsfreien Welt.
Obwohl ich gegen die Zirkumzision von Säuglingen und Kleinkindern bin, bin ich sehr vorsichtig damit, jüdische oder muslimische Eltern dafür zu verurteilen. Ich möchte mir nicht anmassen, ihnen vorzuschreiben, was sie zu tun oder denken haben, denn mein "Dagegen-Sein" beinhaltet auch ein ernstes moralisches Dilemma. Diesen Konflikt muss ich aushalten können. Sonst bin ich voreingenommen und ungeeignet, um sachliche Informationen über die Beschneidung weiter zu geben.
Dieser unauflösbare moralische Konflikt berechtigt mich nicht, Halbwahrheiten und Lügen zu verbreiten. Leider sind die Aktivisten auf beiden Seiten bereit, so zu tun, als gäbe es dieses Dilemma nicht, und scheinen daraus das Recht abzuleiten, anderen etwas vorzuschreiben.
Deshalb möchte ich dazu beitragen, die Lügen beider Seiten zu entlarven. Immer in dem Bewusstsein, dass beide Seiten teils moralisch richtig und teils falsch liegen.
So weit zu den moralischen Fragen.
Die nicht hilfreiche Propaganda
Für mich als jemand, der ernsthaft über eine Zirkumzision aus therapeutischen Gründen nachdenkt oder nachdenke muss, ist die folgende übertriebene und verlogene Propaganda nicht hilfreich. Und auch kaum für alle anderen, die nach neutralen Informationen suchen.
Ich spreche von den Propagandalügen der Zirkumzisionsbefürworter und Gegner, die u.a. besagen:
dass sich alle Männer beschneiden lassen sollten.
dass die Zirkumzision nur Nachteile mit sich bringen würde.
dass die Zirkumzision nur Vorteile hätte.
dass es immer bessere und wirksame alternative Therapien zur Beschneidung gäbe.
dass jede Zirkumzision problemlos verlaufe.
dass es keine guten medizinischen Gründe für eine Zirkumzision gäbe.
dass die Abheilzeit easy sei.
dass die meisten Beschneidungen zu einem psychischen Trauma führen.
dass es ein unbedeutender medizinischer Eingriff sei.
dass alle Beschnittene eine bewusstes oder unbewusstes Verlustgefühl empfinden würden.
dass die Zirkumzision vergleichbar mit der weiblichen Genitalverstümmelung sei.
dass 20'000 Nervenden verloren gingen.
dass die Zirkumzision näher zu Gott führe.
dass es bei sehr vielen Zirkumzision zu ernsthaften Komplikationen komme.
dass eine Vorhaut eklig sei.
dass die Beschneidung impotent mache.
dass der Sex viel besser oder viel schlechter sei.
dass die Vorhaut die sensitivste Zone am Penis sei.
dass es keine nicht-medizinische Gründe gäbe, die für eine freiwillige Beschneidung sprächen.
dass Selbstbefriedigung nach der Zirkumzision schwierig oder unmöglich sei.
dass die Beschneidung vor HIV und HPV schütze.
dass es allen Urologen nur ums Geld ginge.
dass Beschnittene bessere Menschen seien.
dass Beschnittene genital verkrüppelt, seinen.
wie ich mich zu fühlen habe, vor oder nach einer Zirkumzision.
dass jede Zirkumzision unnötig sei.
dass Beschnittene keinen erfüllen Sexualität erleben würden.
dass nur ein beschnittener Mann hygienisch sein könne.
dass alle Unbeschnittenen sterben müssten, weil sie ungläubig seien.
dass die Mehrheit der als Kinder beschnitten Männer heute Probleme damit hätten.
dass die Zirkumzision die Lösung für alles und jeden sei.
dass die Zirkumzision sehr oft im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen stehe.
dass die Zirkumzision das Selbstwertgefühl steigere.
dass die Beschneidung nur eine Frage der Ethnie, Religion, Rasse und/oder Kultur sei.
dass erst die Beschneidung einen Jungen zum einem "richtigen" Mann mache.
dass alle Frauen einen beschnittenen Penis bevorzugen würden.
dass eine Zirkumzision zu mehr Problemen führe als sie löst.
dass alle Menschen, die sich für die Zirkumzision von Minderjährigen aussprechen grausam seien.
dass ich ein Verräter sei, weil ich eine sehr differenzierte Betrachtung, statt das Schwarz-Weiss-Denken fordere.
usw.
Respektlosigkeit
Auch wenn das eine oder andere der eben genannten Argumente ein Körnchen Wahrheit enthalten mag, so sind es doch allesamt Lügen, die von Aktivisten beider Seiten immer wieder verbreitet werden. Oft werden diese Halbwahrheiten und Lügen als Totschlagargumente verwendet und machen eine differenzierte Betrachtung und sachliche Diskussion unmöglich.
Das Leiden vieler Männer und Jungen, die eine medizinisch-therapeutische Zirkumzision benötigen würden, wird durch die vielen Halbwahrheiten und Lügen unnötig verlängert. Sie werden mit sehr seltenen "Horrorgeschichten" verängstigt. Den Aktivisten auf beiden Seiten fehlt jeglicher Respekt vor denjenigen, für die eine Zirkumzision die beste Therapie ist, und ebenso vor denen, deren Zirkumzision verpfuscht wurde.
Und nochmals: Ich persönlich bin gegen eine voreilige Beschneidung! Aber die Vor- und Nachteile einseitig zu verleugnen oder zu glorifizieren, ist nicht hilfreich.
Aktivisten? Nein, danke!
Ich kann mit beiden Lagern der Beschneidungsdebatte wenig oder gar nichts anfangen. Beide sind mir zutiefst unsympathisch. Beide übertreiben masslos. Beide schüren unnötige Panik. Beide sind respektlos. Beide sind für mich weit entfernt von jeglicher Objektivität. Beide Lager sind sehr unseriöse und sehr irreführende Informationsquellen. Auf beiden Seiten gibt es leider nicht wenige latente oder sogar manifeste Rassisten, ignorante Ideologen, Anhänger von Verschwörungsmythen, Fetischisten und/oder religiöse Eiferer. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Aktivisten und Eiferer auf beiden Seiten versuchen, den Beschnittenen und Unbeschnittenen vorzuschreiben, wie sie sich zu fühlen haben. Sehr oft wollen sie ihre eigene, sehr einseitige Weltanschauung allen anderen aufzwingen.
Besonders abstossend finde ich die Doppelmoral mancher Aktivisten, die ihre undifferenzierten Dogmen mit dem Nutzen für oder Schutz von Kindern rechtfertigen. Auch dies geschieht auf beiden Seiten. Aus meiner bescheidenen Sicht wäre den betroffenen Kindern mit einer differenzierten und einzelfallbezogenen Beurteilung, ohne Denkverbote, viel mehr geholfen.
Deshalb sind latente oder gar manifeste Rassisten, ignorante Ideologen, Anhänger von Verschwörungsmythen und religiöse Eiferer sowie Fetischisten auf www.circlog.ch nicht willkommen! Sorry.